«Wenn du laufen willst, dann lauf eine Meile, wenn du ein neues Leben entdecken willst, dann laufe einen Marathon! »

 

 

 

Ein Marathon ist und bleibt ein Höhepunkt in jedem Laufleben. Trefflicher als mit den präzisen Worten des tschechischen Wunderläufers Emil Zatopek kann der Marathonlauf nicht beschrieben werden, denn die Faszination des Marathonlaufes hängt eng mit seiner Distanz zusammen. Zehn Kilometer kürzer, und der Marathonlauf wäre nicht mehr als ein gewöhnlicher Laufwettkampf, der mit gutem Training problemlos zu bewältigen wäre. Doch gerade diese zusätzlichen zehn Kilometer sind es, die dem Marathon seinen Mythos verleihen. Sie sorgen für die Ungewissheit und den Nervenkitzel, ob das langersehnte «Runners High», das ausdauertypische Hochgefühl, endlich eintritt und man dem Ziel entgegenfliegt, ob die Muskeln die dauernden Schläge noch lange klaglos wegstecken können, ob der Hammermann bereits hinter der nächsten Ecke lauert oder ob die berühmt berüchtigte Mauer nur noch wenige Schritte entfernt ist. Bei einem Marathon weiss man nie, wie es ausgeht.

 


Der australische Weltmeister Rob de Castella brachte es auf den Punkt: «Wenn du dich nach zehn Meilen schlecht fühlst, bist du in Schwierigkeiten. Wenn du dich nach zwanzig Meilen schlecht fühlst, bis du normal. Wenn du dich aber ab 26 Meilen nicht schlecht fühlst, bis du abnormal.»

 

Irgendwann – und dies meist mehrere Male – fragen sich die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Marathons, wieso sie eigentlich bei einem solchen Anlass mitmachen. Viele werden sich, ihren Körper, die Strecke und (am häufigsten) so ziemlich alles verfluchen, werden sich aber irgendwie erholen, sich ins Ziel kämpfen und sich schwören, nie mehr zu solch beschwerlichem Tun anzutreten. Und sie werden – wie die meisten Finisher – kurz darauf zu reuigen Lügnerinnen und Lügnern, die in typisch marathoncharakteristischer Verklärung in Erinnerungen schwelgen – und schon in Gedanken ihren nächsten Marathon, den Mount Everest des kleinen Mannes, planen.

 


Denn der Weg ist das Ziel. Vielleicht eine banale Erkenntnis – aber sie trifft die Sache ganz genau. Einen Marathon wollen (und sollen) sich die meisten nur ein oder später allenfalls zweimal im Jahr zumuten. Aber was wir in erster Linie suchen, ist die Vorbereitung, die Entwicklung, eben der Weg, bis es so weit ist. Die kleinen Überwindungen, die unzähligen Stunden bei Sonne und Regen, Wind und Schnee sind es, die aus einem Gelegenheitsläufer einen Dauerläufer machen. Und erst diese ergebnisreichen Trainingsstunden, die unseren Gedanken freien Lauf lassen und uns die Natur und ihre Jahreszeiten in allen Facetten erleben lassen, machen aus dem Ziel Marathon ein Gesamtunternehmen, das Lifetime-Projekt Laufen, das wir irgendwann einfach nicht mehr missen wollen.

 


aus Marathon leicht gemacht – FitforLife, April 2004